Outing: Organisierte Naziszene, Fussball & Querdenken

Die Proteste der Querdenkenszene im Zuge der Coronapandemie waren Schauplatz einer mittlerweile sehr gefestigt wirkenden Mischszene aus Neonazis und gewaltaffinen Fussballfans. Diese sorgten bei den verschwörungsideologischen Protesten mit ihrem geschlossenen und martialischen Auftreten für gewalttätige Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrant:innen und der Staatsmacht. In diesem Kontext trat regelmäßig der Belziger Neonazi (Spitzname “Lola”) auf.

Eine Brandenburger Neonazikarriere

ist seit mittlerweile 10 Jahren Teil der Bad Belziger Neonaziszene. Seine erste politische Prägung erfolgte durch die NPD, deren Kundgebungen und Demonstrationen im Belziger Raum häufig von ihm besucht wurden. Das Verhältnis zur NPD war dabei typisch für Brandenburger Kleinstädte. Aufmärsche und Kundgebungen wurden besucht, allerdings gab es eine starke Orientierung an der örtlichen faschistischen Erlebniswelt. Florian U. nahm an Zeltlagerausflügen und Rechtsrockkonzerten teil. In Belzig selbst ist Florian U. zudem als gewaltorientierter Nazi bekannt. Gemeinsam mit weiteren lokalen Nazis störte er in der Vergangenheit mehrfach antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen. So befand sich Florian U. im Jahr 2014 mit weiteren Nazis bei einer Veranstaltung des “Belziger Forums gegen Rechtsextremismus” im Zuschauerraum, um anwesende Teilnehmer:innen einzuschüchtern. Dieses Muster setzte sich in den Folgejahren fort und hält bis heute an. Sofern in Bad Belzig Veranstaltungen stattfinden, die nicht in sein Weltbild passen, ist damit zu rechnen, dass Florian U. provoziert, stört oder Teilnehmer:innen bedroht. Dabei bleibt es allerdings nicht. So versuchte sich Florian U. 2017 mit anderen Nazis Zugang zum Infocafé “Der Winkel” zu verschaffen. Bei diesem Versuch wurde er gewalttätig gegenüber einem Gast des Cafés und später festgenommen. Auch die Polizei und die Justiz spielen eine besondere Rolle in der Neonazikarriere von Florian U. Obwohl dieser regelmäßig Straftaten begeht scheint kein Wille vorhanden, ihn einer umfangreichen Strafverfolgung zu unterziehen. Dies geht soweit, dass Florian U. trotz etlicher Gewalttaten und Vorkommnisse nicht vor Gericht zur Verantwortung gezogen wurde, unter anderem als er 2019 während einer Nazifeier einen Polizisten tätlich angriff und verletzte. Seine Gewalt wird stattdessen regelmäßig entpolitisiert. Als er 2019 gemeinsam mit seinem Nazifreund Tim Wunderlich auf dem Rückweg von einem Fussballspiel des 1. FC Union Berlin einen Geflüchteten in der Bahn rassistisch beleidigte und ihn sowie seinen Begleiter auf dem Bahnhof körperlich angiff war für die Polizei klar, dass es sich in diesem Zusammenhang um Fussballgewalt handeln müsse. Für den Betroffenen war Florian U. allerdings kein Unbekannter. Beide kannten sich als “Teamkameraden” aus dem Fussballverein Borussia Belzig. Florian U. ist dort Spieler und Mitglied der Dorfultragruppe “Trinkerfreunde”, in welcher neben ihm noch weitere lokale Nazis aktiv sind. Der Angriff auf den Geflüchteten hatte nicht den Ausschluss von Florian U. aus dem Fussballteam zur Folge. Im Gegenteil: Dieser ist dort weiterhin Spieler während der Betroffene des Vorfalls nicht mehr im Verein ist. Unterstützung von Seiten des Vereins nach dem rassistischen Angriff erfolgte zu keiner Zeit.

Rechtsoffene Fussballszene bei Union Berlin

Neben seinem Dasein als “Dorfultra” und Spieler in Belzig ist auch Teil rechtsoffener Zusammenhänge des Berliner Erstligisten Union Berlin. Er besucht regelmäßg Spiele des Berliner Vereins unter anderem mit Tim Wunderlich. Eine Mitgliedschaft in der aktiven Fanszene ist nicht bekannt, allerdings bewegt sich Florian U. im Umfeld der rechtsoffenen Ultragruppe Crimark. Solche rechtsoffenen und gewaltbereiten Ultragruppen wirken eine starke Anziehungskraft auf Neonazis aus. In diesen Zusammenhängen können Gewalterfahrungen und Gemeinschaftsgefühl gesammelt sowie Kontakte geknüpft werden. Die oft nach außen dargestellte unpolitische Haltung hilft Nazis wie Florian U. dabei, solange sie sich nicht zu auffällig verhalten, in den Fanszenen Fuß zu fassen. Während seiner Zeit bei Union Berlin lernte Florian auch seinen gegenwärtigen Demopartner kennen.
Willi O. war im Gegenzug zu Florian lange Teil der organisierten Ultra-Fanszene bei Union Berlin. Er war Mitglied bei der Jugendultragruppe Teen Spirit Köpenick, deren Strukturen er allerdings vor seinen öffentlich sichtbaren Naziaktivitäten verließ. Im Gegensatz zu Florian U. ist Willi O. im Ostberliner Stadtteil Lichtenberg wohnhaft (gewesen) und es sind keine langjährigen Naziaktivitäten bekannt. Stattdessen scheint er im Rahmen von Fußballspielen innerhalb rechtsoffener Strukturen Kontakte zu Nazis geknüpft zu haben. Mit anderen Anhängern von Union Berlin besuchte er unter anderem 2019 den Naziaufmarsch “Wir für Deutschland — Tag der Nation” in Berlin-Mitte.

Der III. Weg

Für Florian Ullrichs Weg in die Belziger Naziszene waren zwei damals noch zur NPD gehörende Aushängerschilder der Naziszene in Brandenburg maßgeblich verantwortlich. und können auf eine jahrzehnte andauernde Nazikarriere zurückblicken. Beide eint auch, dass sie mit der NPD unzufrieden waren. Als die Nazi Kleinstpartei “Der III. Weg” in Brandenburg Strukturen aufbaute, wurden Stolle und Eminger zentrale Figuren der Organisation. Florian U. beeinflusste dies ebenfalls. Ein von Eminger organisiertes Fussballturnier 2015 besuchte er als Teil des Teams “Sturm Belzig”. Dies fand auf dem Grundstück der Emingers in Potsdam-Mittelmark statt. Der selbe Ort, an dem Emingers Bruder von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen wurde, um ihn im Zuge des NSU-Prozesses in Untersuchungshaft zu bringen. Andre Eminger, Maik Emingers Bruder, wurde in diesem als Mittäter des NSU verurteilt. Bei Florian U. hat diese ideologische Schule für eine tief sitzende nationalsozialistische Überzeugung gesorgt. Die Nähe zum dritten Weg ist trotz Stolles Wegzug nach Eisenhüttenstadt geblieben. Als der III. Weg 2020 in Berlin-Hohenschönhausen seine jährliche Großdemonstration abhielt, war auch Florian U. gemeinsam mit Willi O. anwesend. Florian U. posierte auf der Demonstration in einem Shirt der aus dem Nazi-Hooliganmilieu stammenden Kampfsportmarke “Label23”. Zudem fielen beide mit einem Schlauchschaal mit Logo der Kampfsport AG “Körper & Geist“ des III. Wegs auf.

Querdenken

Wie eingangs bereits erwähnt befand sich auf den Querdenken Demonstrationen ein Milieu, in welchem sich und seit Jahren bewegen. Wenig verwunderlich ist dementsprechend die Teilnahme beider an der Querdenkendemo am 07.11. 2020 in Leipzig. Sie waren Teil des gut erkennbaren Blocks gewaltbereiter Nazis und gewaltaffiner Fussballfans. Diese durchbrachen Polizeiketten, griffen Journalist:innen an und lieferten sich Schlägereien mit Gegendemonstrant:innen. Die Polizei wirkte an diesem Tag recht hilflos, obwohl für Beobachter:innen bereits lange vorher erkennbar war, welche Strukturen zu diesem Aufmarsch mobilisierten. Florian U. und Willi O. müssen als Teil des seit vielen Jahren bestehenden Netzwerks rechtsradikaler Fussballzusammenhänge gesehen werden. Dies kann besonders für den 07.11 herausgestellt werden, da hier jene Fussballanhänger Spektren- und Vereinsübergreifend gewollt und öffentlich zusammen agierten. Aufgerufen wurde auf Szenekanälen wie Gruppa OF. Trotz lokaler Rivalitäten marschierten Fans verschiedenster Vereine für ihr sozialdarwinistisches Weltbild auf. Insbesondere in Ostdeutschland unterstützen diese Strukturen Nazis bei der Ausübung von Gewalt. Es bleibt eine Aufgabe für antifaschistische Initiativen diesem Engagement Grenzen aufzuzeigen.

Ursprünglich erschienen auf Inforiot

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