Die Selbsthilfewerkstatt Potsdam und ihre Verstrickungen ins neonazistische Milieu

In der Kfz-Selbsthilfewerkstatt Potsdam im Stadtteil Schlaatz können Besitzer_innen und Fahrer_innen ihre Fahrzeuge selbst reparieren. Für ein geringes Entgelt kann das vorhandene Werkzeug und Maschinen sowie das Know-How der anderen Anwesenden genutzt werden, um kleine und große Reparaturen, Umbauten oder komplette Restaurationen vorzunehmen. Statt Fachwerkstätten aufzusuchen können hier Hobby-Schrauber_innen und technisch Versierte selbstorganisiert schrauben, schweißen, hämmern und fachsimpeln. Nachdem bis Januar 2013 die Werkstatt in einer Halle in Drewitz ansässig war, ist sie seitdem am Magnus-Zeller-Platz eingerichtet. [1]

Im Sommer 2015 berichtete nun der Verein Opferperspektive von einem Übergriff auf einen Geflüchteten, der in unmittelbarer Nähe einer Werkstatt und der Unterkunft für Geflüchtete Potsdam stattfand. Es kamen dabei mehrere Männer aus der Selbsthilfewerkstatt und beleidigten den Betroffenen erst rassistisch und griffen ihn dann, unter anderem mit einem Schraubenschlüssel, an. [2]
Wer genau die Angreifer waren ist bis heute nicht ermittelt. Es ist jedoch klar, dass sich der Werkstatt-Chef Henry K. und der engere Kreis um ihn nicht nur an Motoröl und Bremsen die Hände schmutzig machen, sondern auch im Umgang mit offensichtlichen Mitgliedern der neonazistischen Szene Potsdams.

Bereits am alten Standort in Drewitz war seit spätestens 2012 der Neonazi  in der Selbsthilfewerkstatt aktiv und wird bisher, samt seiner offensichtlichen neonazistischen Symbolik auf seiner Kleidung, toleriert. Zuletzt war er am 12. Dezember 2015 bei der Weihnachtsfeier des Teams der Werkstatt anwesend.

Der im Dezember 1989 geborene und in Werder (Havel) wohnhafte Borowski ist Antifaschist_innen erstmals am 21. Oktober 2006 in Berlin auf einer Demonstration für den verurteilten Sänger, der als kriminellen Vereinigung eingestuften Neonazi-Band Landser, Michael „Lunikoff“ Regener aufgefallen. Als einer der jüngsten war er wenig später am 13. Februar 2007 an einem klandestin organisierten „Trauermarsch“ durch die Potsdamer Innenstadt beteiligt. Anlass war für die Neonazis der Jahrestag der Bombardierung Dresdens 1945 durch alliierte Luftangriffe. Seitdem ist Borowski regelmäßig auf neonazistischen Demonstrationen und Kundgebungen anzutreffen. Nicht selten übernimmt er dabei auch organisatorische Aufgaben, beispielsweise die videografische Dokumentation der eigenen Aktionen und etwaiger Gegenproteste oder interne Koordinierung und Anstimmen von Parolen mit einem Megafon. Regelmäßig hält er Transparente oder Fahnen für die jeweiligen Gruppen und Akteure der neonazistischen Szene.

Mittlerweile ist er aktives Mitglied der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ und beteiligt sich regelmäßig an neonazistisch-völkischen Kundgebungen. Allein im vergangenen Jahr nahm er an mindestens acht neonazistischen und rassistischen Versammlungen teil. Dabei war er an der Organisierung und Durchführung von mindestens sechs Kundgebungen bzw. Demonstrationen von „Der III. Weg“ beteiligt.

Anzutreffen war Borowski im Jahr 2015 auf einer Kundgebung von „Der III. Weg“ am 28. November in Genthin zusammen mit den Potsdamer Neonazis  und Dustin Schlemminger und am 1. August auf Kundgebungen von „Der III. Weg“ in Zossen und in Damsdorf zusammen mit , Phillip Hinzmann und NPD-Kader . Weiterhin nahm er zusammen mit und Phillip Hinzmann an einer neonazistischen Demonstration anlässlich des 1. Mai in Saalfeld teil. Am 18. April war er als Akteur an zwei Kundgebungen in Werder (Havel) und Brandenburg (Havel) beteiligt. An diesen nahmen außerdem , , , Phillip Hinzmann, , und  teil. Zu Beginn des vergangenen Jahres war er für „Der III. Weg“ an der Durchführung und Organisierung einer Kundgebung in Eisenhüttenstadt am 21. Februar beteiligt. Die Potsdamer Neonazis , Phillip Hinzmann,  und waren ebenfalls Teilnehmer_innen oder direkt an der Durchführung beteiligt. Auch auf einer Demonstration des brandenburgischen PEGIDA-Ablegers „BRAMM“ („Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“) beteiligte er sich am 26. Januar 2015 zusammen mit , Phillip Hinzmann und . Sie präsentierten ein Hochbanner und mehrere kleine Schilder für ihre Kampagne „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“.

Aber auch abseits von Kundgebungen oder Demonstrationen ist aktiv. Am 17. Oktober letzten Jahres besuchte er in Ferch eine Bürger_innenversammlung zu einer geplanten Unterkunft für Geflüchtete. Am 10. Oktober soll er sich mit etwa 15 weiteren Neonazis in Babelsberg in einer Kneipe getroffen haben. Diese Zusammenkunft soll im Laufe des Abends durch die Polizei aufgelöst worden sein.
Im August 2015 stand Borowski zusammen mit  („Der III. Weg“), Rico Hannemann und zwei weiteren Neonazis vor Gericht. Ihnen wurde vorgeworfen auf dem Baumblütenfest im Jahr 2014 neonazistische Parolen, wie „Nazis raus, Zecken rein, Tür zu, Gas rein.“ gerufen sowie Lieder der verbotenen RechtsRock-Band „Landser“ gesungen zu haben. Auf ihrem Weg zum „Colonial Café“ wurden sie dabei von Polizeibeamten beobachtet, welche die Gesänge deutlich vernahmen. Dennoch kam es, trotz übereinstimmender Zeugenaussagen, nicht zu einer Verurteilung. [3]

Neben war ein weiterer bekannter Neonazi in der Selbsthilfewerkstatt anzutreffen. Ronny Schapkowski ist bis zu seinem krankheitsbedingten Tod im August 2015 regelmäßig in der Werkstatt aktiv gewesen, nahm an gemeinschaftlichen Ausflügen teil und gehörte zu einem engeren Freundeskreis, der maßgeblich in der Werkstatt aktiv ist. Er war aber auch fest in der Neonazi-Szene Potsdams verankert. Insbesondere ist er als Mitglied der sich selbst als „Kneipenterroristen Potsdam-West“ benannten neonazistischen Gruppierung um die gewaltbereiten Neonazis  und Christian Sawetzki aufgefallen.

Schapkowski hatte Kontakte in die organisierte Neonazi-Szene in und um Potsdam sowie in die RechtsRock-Szene. Seine tiefe Verankerung zeigte sich vor allem bei seiner Beerdigung am 15. September 2015 auf dem neuen Friedhof in der Heinrich-Mann-Allee in Potsdam. Insgesamt nahmen etwa 80 Personen teil, unter ihnen ein großer Anteil organisierter Neonazis. Neben (lokalen) Neonazis wie Tom Singer und  waren auch Protagonist_innen der RechtsRock-Szene wie Uwe Menzel, aktuell aktiv bei Aryan Brotherhood und Bloodshed, und , Sänger der RechtsRock-Band Preussenstolz, anzutreffen.

Es zeigt sich, dass die Selbsthilfewerkstatt und ihr Team durch ihre Offenheit für menschenverachtendes Gedankengut und Neonazis gegenüber alternativen Jugendlichen, People of Color und vor allem Geflüchteten, die in der Unterkunft nebenan untergebracht sind, eine sehr bedrohliche Atmosphäre und einen unsicheren Raum im Stadtteil schaffen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass es bereits zu mehreren rassistischen Übergriffen in der Nähe kam, die von der Werkstatt ausgingen. Laut Bewohner_innen der Unterkunft und anderen Anwohner_innen soll es beispielsweise im Oktober 2015 einen weiteren von der Werkstatt ausgehenden Übergriff und anschließenden Polizeieinsatz gegeben haben. In der Vergangenheit soll es anlässlich eines Willkommensfestes in der Geflüchtetenunterkunft außerdem zu Provokationen, u.a. durch das Hissen einer schwarz-weiß-roten Reichsflagge, aus der Selbsthilfewerkstatt heraus gekommen sein. Weiterhin kommt es immer wieder zu Pöbeleien und Beleidigungen gegen Geflüchtete – auch von Besucher_innen der Werkstatt.
Die Selbsthilfewerkstatt und die dort Aktiven müssen sich klar von rassistischen und neonazistischen Tendenzen und den entsprechenden Personen trennen. Es reichen keine Bekundungen, dass eine Werkstatt kein Ort für Politik sei, denn jede Einrichtung und Person ist Akteur_in in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen – das erfordert auch und vor allem die Abgrenzung gegenüber rassistisch motivierter Gewalt, menschenverachtenden Äußerungen, rassistischen Bürger_innen und Neonazis.

[1] http://www.pnn.de/potsdam/767980/
[2] http://www.opferperspektive.de/rechte-angriffe/chronologie-rechter-angriffe/potsdam‑9 und
http://www.pnn.de/potsdam/1002376/
[3] http://www.pnn.de/pm/995572/

Ursprünglich erschienen auf Inforiot

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