Am 27. November 2025 veröffentlichte der öffentlich-rechtliche Sender 3sat eine Dokumentation unter dem Titel „Jung, militant, national – Die neuen Rechten“. Darin wird die rechtsextreme Jugendbewegung der letzten Jahre porträtiert, die mittlerweile vielerorts im Straßenbild sichtbar ist. Dafür will die Doku laut Text auf der Website insbesondere die Rekrutierung junger Nazis durch Onlineplattformen beleuchten. Die Macher*innen sprechen in der Doku mit Mitgliedern der neonazistischen Organisationen „Die Heimat“, „Der III. Weg“ und der neurechten „Identitären Bewegung“. Sie begleiten außerdem rechte Influencer in Berlin und Wien, wie diese Propaganda für ihre Onlinekanäle produzieren. Vor allem bei der Begleitung der Neonazis gibt die Reportage ein miserables Bild ab. Sie ist ein schauriges Negativbeispiel, wie junge Neonazis hofiert werden und eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrer Ideologie zugunsten der Darstellung von deren extrem rechter Ästhetik geopfert wird.
Diese Kritik an der Dokumentation konzentriert sich vor allem auf die gezeigten Stellen zum III. Weg, da wir an dieser Stelle unsere Expertise sehen. Das Sprechen mit Nazis in Interview Formaten halten wir nicht automatisch für problematisch. Wir haben immer wieder selbst dafür geworben, sich mit den inhaltlichen und strategischen Ideen des III. Weg auseinanderzusetzen. Die Frage ist am Ende des Tages immer nur wie es gemacht wird. Reportagen wie diese müssen, um gut zu sein, einige selbst gewählte Probleme überwinden. Denn wer besonders nahe an seinem Interviewpartner*innen dran sein will, muss darauf Acht geben dessen Ideologie nicht zu verharmlosen und die Propaganda des Gegenübers nicht unkritisch wiederzugeben. Sonst droht am Ende der Effekt, dass Menschen Aufmerksamkeit und Reichweite erhalten, die ihnen ohne die mediale Darstellung kaum zuteil würden. Insbesondere bei der Bewertung von Medienarbeit sollte dieses Problem allen Beteiligten bewusst sein.
„Der III. Weg“ wird in zwei Teilen in der Dokumentation näher beleuchtet. Im ersten Teil wird der Wahlkampf von Julian Bender in Hilchenbach begleitet. Danach werden gemeinschaftliche Freizeitaktivitäten der Partei in Berlin-Hellersdorf gezeigt. In Hilchenbach wird Julian Bender immer wieder kurz interviewt und es werden verschiedene Aktionen über den Tag hinweg gezeigt. Auffallend ist, dass er bei den Interviews immer nur kurze, phrasenhafte Sätze zum Besten gibt. Er nimmt die Aufnahmen ganz offensichtlich als Möglichkeit wahr, die eigenen Inhalte einem großen Publikum zu präsentieren. In Berlin-Hellersdorf werden Berliner und Brandenburger Nazis beim Graffiti malen und Sport treiben gezeigt. Hier wird schnell deutlich wie die mangelhafte kritische Herangehensweise zu einer Inszenierung der Neonazis führt. Die Doku übernimmt beispielsweise die Aussage der Nazis, dass an dem Tag vorrangig Schüler*innen und Azubis aus der Region teilgenommen haben. „Der III. Weg“ ist aber, auch wenn die Doku das suggeriert, keine lokal verankerte Bewegungspartei, sondern eine Ansammlung verstreut wohnender Neonazis, die sich für einzelne Aktionen nach vielen Kilometern Fahrtweg zusammen schließen.
Der zweite Teil zum III. Weg spielt in der Nähe von Rostock. Dort wird vom Stützpunkt Nordost unter der Leitung von David Mallow ein Kampfsporttraining veranstaltet. Anschließend halten die Nazis Transparente an Autobahnbrücken hoch. Auch in diesem Teil ergibt sich das gleiche Bild. Von den Nazis kommen kurze Sätze zu ihren politischen Vorstellungen, diese werden von den Macher*innen der Doku einfach übernommen und anschließend antwortet ein ausgewählter Experte allgemein auf Fragen zu rechter Jugendkultur.
Die von den geschulten Kader der verschiedenen Gruppen getätigten Aussagen wiederholen sich über die gesamte Länge der Reportage. Eine Einordnung findet nie statt. Dadurch wird den Zuschauenden vermittelt, es handle sich um Fakten. Das passiert nicht nur bei Aussagen zu den anwesenden Personen wie in Hellersdorf. Auch beim Kampfsporttraining zeigt sich dieses Problem. In der Dokumentation wird nicht darüber gesprochen, dass die Nazis Kampfsport treiben, um andersdenkende Menschen anzugreifen. Ihr Narrativ, dass sie junge Menschen von der Computersucht wegholen und ihr Leistungsoptimum durch Disziplin erreichen wird einfach übernommen. Die rassistischen Grundannahmen hinter dem Narrativ werden nicht erklärt. Für eine Sportkarriere ist der III. Weg scheinbar genauso gut geeignet wie der lokale Judoverein. Sport und Gewalt wird nicht getrennt und der Hintergrund der Trainings damit entpolitisiert und verharmlost. Dabei waren fast alle der gezeigten Interviewpartner des III. Wegs bereits bei Angriffen identifiziert worden. Eine simple Hintergrundrecherche hätte hier geholfen.
Auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Programmatik und Ideologie der Partei kommt absolut zu kurz. Die Nazis sagen kaum mehr als zwei Sätze am Stück und mit einem Verweis auf die Nähe zum Parteiprogramm der NSDAP ist die Einordnung abgeschlossen. Es hätte sich deutlich mehr gelohnt, einfach den Social Media Auftritt oder die publizistischen Erzeugnisse der Partei zu verfolgen und inhaltlich einzuordnen.
Ein weiteres großes Problem dieser Dokumentation ist die mangelnde Einordnung durch die Expert*innen. Dabei sind eine Bildungs- und ein Erziehungswissenschaftler, eine Expertin für die Neue Rechte und ein Geheimdienstler. Das größte handwerkliche Problem ist hier, dass offensichtlich den Expert*innen nichts von dem für die Interviews verwendeten Materialien gezeigt wurde. Sie beantworten sichtbar vorher von der Redaktion formulierte allgemeine Fragen und ihre Antworten werden dann in die Doku geschnitten. Dabei passen diese selten wirklich zu den vorher gezeigten Interviews und deren Inhalten. Hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem bei vielen Dokumentationen dieser Machart. Jeder dieser Expert*innen hätte in seinem Gebiet viel zu den Inhalten der Interviews sagen können nur dürfen sie nicht. Natascha Strobl beispielsweise hat ausgeprägtes Fachwissen zur Neuen Rechten. Diese ist jedoch nur am Ende mit der Identitären Bewegung kurz Thema. Ihre Aussagen werden über die ganze Reportage wie es der Redaktion passt scheinbar wahllos reingeschnitten.
Die Auswahl der Expert*innen stellt ein weiteres Problem dar. In der Dokumentation sind die Nazis die jungen Rebellen, die von Personen eingeordnet werden, die mindestens doppelt so alt sind wie sie. Der Eindruck wird vor allem deswegen verstärkt, weil keine Stimmen aus der durchaus existierenden Gegenbewegung junger Menschen gegen die Nazis gezeigt werden. Wer diese Doku schaut bekommt den Eindruck, dass alle den Nazis hinterher rennen und das Establishment das aber doof findet. Möglichkeiten für eine Sichtbarmachung von jungen Menschen, die Nazis bekämpfen würde es genug geben. Es wurde sich aber dafür entschieden lieber vier verschiedene faschistische Organisation zu porträtieren anstatt auch darauf einzugehen, wie Gegenkulturen zu diesen entstanden sind. Spätestens die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, dass der Trend der nach rechts kippenden Jugend sich schon wieder abgeschwächt hat.
Das mit Abstand größte Problem dieser Reportage ist aber die Bildsprache. Wenn man als Filmschaffende*r darauf verzichtet eine kritische Einordnung gleich beim Interview einzunehmen, ist die Auswahl von Bild, Ton Und Szenen ganz besonders wichtig. Die hier gezeigten Bilder hätte die AG Medien des III. Wegs kaum besser produzieren können. Die Doku zeigt Hochglanzaufnahmen einer Drohne vom Parteigebäude in Hilchenbach und von dem Trainingsort in Hellersdorf. Die Nazis werden mit schnellen, hochwertigen Schnitten in Szene gesetzt, die ihnen zusätzliche Aura verleiht. Es zeigen sich harte Gesichter, aufwendig gefilmte Sportübungen und die in Szene gesetzten Graffitis. Alles an den Bildern wirkt hochwertig, ansprechend und professionell. Wer will nicht in einer so tollen Jugendgruppe Mitglied sein? Es scheint so, dass die Macher*innen der Reportage vergessen haben, dass sie kein cooles Musikvideo, sondern eine gewaltbereite Nazigruppe filmen. Niemand scheint daran zu denken, dass diese Bilder bei den Zuschauer*innen viel eher verfangen werden als alles was aus dem Off gesagt wird. Wenig überraschend hat der III. Weg auf seinem Telegramkanal auch eine Empfehlung für die Doku abgegeben. Sie wissen offenbar besser als die Macher*innen welche Außenwirkung mit der Reportage für sie erzielt wird.
Seit mehreren Jahren wird „Der III. Weg“ in Berlin erfolgreich medial isoliert. Die kritische Berichterstattung ist zielgerichtet und erschafft keinen Personenkult oder bedient deren Propaganda. Auf Social Media werden immer wieder die Accounts des III. Wegs gesperrt und ihr Bild wird in den Medien von gut recherchierten Beiträgen ihrer Gegner*innen bestimmt. Mit dieser Doku bekommt diese medial isolierte Partei eine bundesweite Plattform zur Verbreitung ihrer Ideen und zeigt wie toll doch ihre Jugendarbeit ist. Aus der Propaganda kann die Partei dann neue Mitglieder schöpfen, die dann wieder Menschen in Berlin und an anderen Orten jagen. Es wird an keiner Stelle der Dokumentation auch nur erwähnt was diese Neonazis tun, wenn sie sich nicht medial inszenieren dürfen.
Offensichtlich ist niemand im Sender oder der Produktion seiner Verantwortung gerecht geworden. Für den Fall, dass ein solches Projekt aus dem Ruder läuft gibt es viele Personen, deren Job die Sichtung und Bewertung der geplanten Sendungen ist. Auch für das Konzept einer Doku gibt es viele bessere Beispiele. Es wurde sich bewusst dafür entschieden, drei Jugendgruppen, eine regionale Partei, mehrere Influencer und vier Expert*innen in eine 45 minütige Reportage zu quetschen. Hier wurde nicht kritisch hinterfragt mit welchem Konzept das Thema besonders gut bearbeitet werden kann, sondern sich für zu viele Ansätze, die sich gegenseitig den Raum und den Inhalt nehmen, entschieden.
Doch vor allem die Macher*innen der Doku trifft die Schuld. Bei einer gründlichen Recherche zur Parteistruktur des III. Wegs und ihrer Strategie hätte eine gut inszenierte Jugendarbeit mit wehrhaften jungen Deutschen bekannt sein müssen. Es hat scheinbar niemand darüber nachgedacht was sich die Nazis von der Zusammenarbeit erhoffen und wie man etwas ihrer Propaganda entgegensetzen kann. Im Nachhinein hat
„Der III. Weg“ auch versucht die Teile der Dokumentation, die sie zeigen als eigenständiges Youtube Video hochzuladen. Wenigstens hat das ZDF diesen Versuch in Deutschland sperren lassen. Das Video ist mit einem VPN allerdings weiter abrufbar. Was einmal im Internet ist lässt sich nunmal schwer wieder daraus entfernen.
Diese Dokumentation ist eine Schande. Sie stellt einen Tiefpunkt aktueller Berichterstattung zu Neonazis dar und untergräbt alle Standards, die sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst gegeben hat. Dabei ist sie aber Teil eines Problems, dass sich seit Jahren immer häufiger zeigt. Während einige Medienschaffende mit gut recherchierten Beiträgen, informativen Interviews und anderen Formaten glänzen, gibt es immer wieder Produktionen, die offensichtlich vergessen worum es gerade geht. Wer wie Spiegel TV den Nazis Personenkult schenkt, wie Jan Böhmermann AfDlern zu hunderttausenden Klicks verhilft oder wie bei dieser Reportage Inhalte und Ästhetik der Nazis transportiert, ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.



